Versorgungslage in Preußen im I. Weltkrieg und den Folgejahren neu verstehen

News vom 04.11.2025

Der Bestand GStA PK, I. HA Rep. 197 Behörden zur Sicherung der Ernährung und Versorgung in Preußen ist neu verzeichnet und online recherchierbar. Er ermöglicht neue Einblicke in recht unbekannte preußische Behörden aus der Zeit zwischen 1915 und 1924.

Aktendeckel vom Preußischen Staatskommissars für Volksernährung und vom Preußischen Landesfleischamt
Aktendeckel vom Preußischen Staatskommissars für Volksernährung und vom Preußischen Landesfleischamt

Wie kamen die verschiedensten Versorgungsgüter vom Land in die Städte, in Ballungsgebiete oder zu besonderen Personengruppen? Was wurde angebaut? Welche Ersatzprodukte gab es? Wozu gab es den Zentralviehhandelsverband, Preisprüfungsstellen oder das Landesamt für Nährmittel und Eier? Wie wurde Schleichhandel und Wucher bekämpft? Wie waren die Einfuhr in und Ausfuhr aus besetzten oder nichtpreußischen Regionen geregelt? Wie war die Stimmung in der Bevölkerung und wie wurde sie beeinflusst?

Um Antworten auf diese und weitere Fragen zu bekommen, lohnt sich der Blick in den nun online gestellten, neu verzeichneten Bestand GStA PK, I. HA Rep. 197 Behörden zur Sicherung der Ernährung und Versorgung in Preußen. Der Bestand umfasst 3.042 Akten, darunter klassische Verwaltungsakten sowie Registraturhilfsmittel (Journale und Indizes) und Personalakten.
Mit 2.612 Verzeichnungseinheiten (VE) bildet die Überlieferung des preußischen Staatskommissars für Volksernährung den überwiegenden Teil dieses Bestandes. 270 VE stammen aus der Verwaltung des Preußischen Kriegswucheramtes, später Landespolizeiamt. Zudem sind Akten für das Preußische Landesfleischamt und für das Preußische Landesamt für Futtermittel überliefert. – Vier Behörden, die nicht nur konkrete inhaltliche Bezüge zueinander hatten, sondern teilweise auch organisatorisch verbunden waren.

In Preußen wurde am 17.02.1917 vom Staatsministerium der preußische Staatskommissar für Volksernährung ernannt. Er war fortan ressortübergreifend für alle Angelegenheiten im Bereich der Volksernährung verantwortlich. Dies führte zu einem Ende der Differenzen zwischen Behörden und sonstigen Einrichtungen, deren Kompetenz und Zuständigkeit sich teilweise überschnitten. Dies hatte auch Bedeutung für das ganze Reich.

Für die zwischen 1915 und 1917 acht eingerichteten Preußischen Landesstellen war der Staatskommissar für Volksernährung Aufsichtsbehörde. 
Um die Bekämpfung des Wuchers und Schleichhandels zentral zu organisieren, wurde in Preußen bereits am 01.08.1916 eine Landeszentralbehörde zur Kriegswucherbekämpfung, kurz: ‚Kriegswucheramt‘, eingerichtet. Andere Bundesstaaten taten es Preußen gleich.

Mit Wechsel in die Zuständigkeit anderer Behörden führte das Preußische Kriegswucheramt ab dem 15.02.1919 den Namen Landespolizeiamt beim Staatskommissar für Volksernährung und ab 1921 Landespolizeiamt beim Minister des Innern.
Sowohl das Landespolizeiamt als auch das Amt des Preußischen Staatskommissars für Volksernährung wurde zum 01.04.1924 aufgelöst. Ihre Aufgaben gingen auf das Ministerium des Innern bzw. das Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten über.

Ergänzend zu diesem interessanten Bestand sind die Gegenüberlieferungen des preußischen Innenministeriums (I. HA Rep. 77), des preußischen Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten (I. HA Rep. 87) sowie des Oberpräsident der Provinz Ostpreußen (XX. HA Rep. 2) zu nennen. Zusammen betrachtet ermöglichen sie einen detaillierteren Blick auf die Versorgungslage in Preußen während des I. Weltkrieges und den Folgejahren und das Zusammenspiel verschiedener Behörden.

Marie-Luise Adlung