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Auf Alexander von Humboldts Spuren
News vom 04.06.2025
– Forscher – Wissensvermittler – Gutachter – Agent – Diplomat –

Wir stehen auf dem obersten Treppenpodest im Alten Museum im Lustgarten von Berlin. Unser Blick schweift durch die verglasten Arkaden hinüber auf das Humboldt Forum. Direkt vor uns steht die sogenannte Warwick-Vase, der Eisennachguss einer antiken Vase, die König Friedrich Wilhelm III. 1833 von seinem Schwiegersohn Nikolaus I., Kaiser von Russland, als Geschenk erhielt. Mit der Suche nach einem geeigneten und repräsentativen Standort beauftragte der preußische König damals Alexander von Humboldt und Karl Friedrich Schinkel, den Architekten seines neuen Kunstmuseums, das wir heute das „Alte Museum“ nennen. Dieses neue Museum sollte ein Museum für die Öffentlichkeit werden nach dem Vorbild und selbstverständlich im repräsentativen und selbstdarstellenden Wettstreit mit den Museen der europäischen Metropolen Paris und London. Beide empfahlen in ihren Berichten – Schinkel fertigte zudem zwei Situationsskizzen – den Standort, an dem die Vase noch heute steht. Die Gutachten und Schinkels Zeichnungen sind in den Akten des Geheimen Zivilkabinetts des Königs überliefert; diese befinden sich im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz.
Ausgangspunkt für unsere Tour d’Horizon soll die kaum überschaubare Menge von (Empfehlungs-) Schreiben, Gutachten, Stellungnahmen, Memoranden usw. sein, die Alexander von Humboldt über jedes nur denkbare Thema und weit über Kunst- und Wissenschaftsangelegenheiten hinaus aus eigenem Antrieb und für die preußische Verwaltung, vor allem aber auch direkt für den Monarchen, verfasste.
Wie andere auch (so u. a. Karl vom und zum Stein, Karl August von Hardenberg, Friedrich von Hardenberg alias Novalis, um nur die Bekanntesten zu nennen) wandte sich Alexander von Humboldt nach einigen Schlenkern zunächst den Bergwissenschaften zu. Sein Gesuch um Anstellung im Bergwerksdepartement war der Kompromiss, um die Anforderungen seiner Mutter und seine Neigungen zur Naturforschung miteinander zusammenzubringen. Dabei stand ihm eine durchaus erfolgreiche Karriere bevor. Bereits 1794 stieg er in den an Preußen gefallenen fränkischen Fürstentümern Ansbach und Bayreuth zum Oberbergrat auf. Sein dortiger Chef, der spätere Staatskanzler Hardenberg, übertrug ihm zudem auch diplomatische Aufträge, die in Verbindung mit dem ersten Revolutionskrieg gegen Frankreich (1792-1797) standen. Gleichwohl eröffnete ihm die Aussicht auf eine respektable Erbschaft die wählbare Option für einen Rückzug aus der Verwaltung in ein der Forschung verschriebenes Privatleben. Seine alten Pläne, seinen Abschied zu nehmen und zu einer Forschungsreise außerhalb Europas aufzubrechen, blieben für ihn immer wahrscheinlich.
Die Erbschaft von seiner Mutter machte ihn schließlich frei. Er kündigte seine Stellung und siedelte nach Paris, die Stadt, die seinerzeit das unbestrittene Zentrum der Wissenschaften in Europa war. Von hier aus unternahm er seine erste außereuropäische Forschungsreise nach Amerika (1799–1804), die ihn zu einem der, vielleicht sogar zu dem berühmtesten Naturforschenden und Forschungsreisenden der damaligen Welt machten. Sein Ruhm eilte ihm voraus, die Gelehrtenschaft drängte sich um ihn und seine Expertise, und sogar weit über die Wissenschaftscommunity hinaus erregte er mit seiner Reise großes Aufsehen. Nach kurzen Zwischenaufenthalten in Rom und Berlin (1804–1807) veröffentlichte Humboldt dann von Paris aus seine Forschungsergebnisse.
Schon unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Amerika hatte der preußische König Alexander von Humboldt zum Kammerherrn ernannt. Während seines langjährigen Aufenthalts in Paris (1807–1827), vor allem aber seit seiner Rückkehr nach Berlin 1827 wirkte Humboldt, so war es locker vereinbart, auf vielfältige Weise als königlicher Ratgeber in Kunst- und Wissenschaftsangelegenheiten. Und seine jährlichen Forschungsaufenthalte in Paris waren ganz selbstverständlich mit diplomatischen Aufträgen verbunden. Vor allem konnte Humboldt durch seine weitreichende Bekanntheit zur systematischen Mehrung der Kunst- und wissenschaftlichen Sammlungen beitragen. Er selbst bereicherte diese Sammlungen durch Objekte, Handschriften und Bücher, die er als Forschungsreisender aus Amerika und später aus Zentralasien (1829) mitbrachte, zudem vermittelte er Beziehungen und Ankäufe von Kunstobjekten, kulturellen Zeugnissen und wissenschaftlichen Werken, und er förderte durch seine Empfehlungen und Expertise Projekte und Unternehmungen. Nicht zu vergessen sei dabei sein unermüdlicher und sorgfältiger Beitrag zur Schaffung eines Wissensnetzwerks, das in dem Orden pour le mérite für Wissenschaften und Künste seinen bis heute wirksamen Ausdruck erhielt. Unermüdlich trug Alexander von Humboldt dazu bei, diese Ordens-Gemeinschaft in der von König Friedrich Wilhelm IV. gedachten Weise zu formen. Doch nicht alles von dieser Entdeckungsreise kann hier genannt oder soll hier verraten werden.
Die Drucklegung des mit fast 70 farbigen Abbildungen prächtig ausgestatteten Bandes erfolgte mit Mitteln aus dem großzügigen Vermächtnis, mit dem Christian Heinz Martin Haase (1951-2007) die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bedacht hat. Gemäß der Bestimmung des Nachlassers sollten diese Mittel für die Museen und das Archiv verwendet werden. Auch in dieser Hinsicht schließt sich in dem Buch von Ingrid Männl sinnfällig ein Kreis, dem nun auf einer Entdeckungsreise nachgespürt werden kann. – In diesem Sinne: Viel Freude beim „Schmökern“, „Entdecken“ und „Betrachten“.
Paul Marcus
Auf Alexander von Humboldts Spuren. Eine Entdeckungsreise durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Von Ingrid Männl (Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, Quellen Band 77), Berlin Duncker & Humblot 2025
67 farb. Abb.; 268 Seiten
Print <ISBN 978-3-428-19505-3> geb., € 49,90