Fotografie in einer Akte aus dem Jahr 1682 gefunden!

News vom 25.09.2023

Wie gelangte eine Fotografie in ein Archivale mit Schriftgut aus dem 17. Jahrhundert? Wahrscheinlich nutzte sie jemand als Lesezeichen – aber wer mag es gewesen sein? Aus der Überlieferung im Geheimen Staatsarchiv PK ergeben sich Hinweise.

Ein Foto als Lesezeichen
Ein Foto als Lesezeichen

Ende des Jahres 1682 wurden Stadt und Burg Greetsiel, der Stammsitz der Fürsten von Ostfriesland, von Truppen Friedrich Wilhelms von Brandenburg, des Großen Kurfürsten (regierte 1640–1688), besetzt. Die ostfriesischen Stände hatten den Großen Kurfürsten gegen die eigene Landesherrschaft zu Hilfe gerufen, und dieser ergriff gern die Chance, um sich als Beschützer der landständischen Freiheiten zu positionieren und zugleich eine Hafenstadt zu erlangen. Nach Ansicht des Großen Kurfürsten war neben dem Handel nämlich die Seefahrt eine der tragenden Säulen fürstlicher Herrschaft, aber Brandenburg-Preußen besaß bislang nur Häfen an der Ostsee.

Die militärischen Ereignisse an der Nordseeküste interessierten knapp 250 Jahre später anscheinend nicht nur die Wissenschaft. Der ins Geheime Staatsarchiv gelangte Aktenband enthält neben 57 Blatt Schriftgut, die von November 1682 datieren, auch ein ca. 5 cm * ca. 7 cm großes schwarz-weiß Foto, das wahrscheinlich erst in den 1930er Jahren aufgenommen wurde (Signatur: GStA PK, I. Hauptabteilung Geheimer Rat, Repositur 11 Auswärtige Beziehungen, Akten, Nr. 7893). Zu sehen sind eine Frau und ein Mann, die mit zwei Kindern auf einer Parkbank sitzen. Weder Bekleidung noch Bildhintergrund lassen einen Rückschluss auf die Identität der abgebildeten Personen und den Entstehungsort zu.

Ein Hinweis ergibt sich aber aus dem jüngsten Eintrag auf dem Benutzerblatt: Im März 1938 wurde das Archivale einem Herrn Szymanski vorgelegt, dem wahrscheinlich letzten Benutzer bisher.
Aus den im GStA PK verwahrten Unterlagen über die Benutzung der preußischen Archive durch Privatpersonen zwischen 1930 und 1939 lässt sich leider nicht ermitteln, wie der Nutzer mit Vornamen hieß (Signatur: I. HA Rep. 178 Generaldirektion der Staatsarchive, Nr. 902).

Könnte es der im preußischen Posen gebürtige Antoni gewesen sein? 1932 bis 1939 war Antoni Szymański als Militärattaché an der polnischen Botschaft in Berlin tätig. Er war seit 1919 Bürger der Republik Polen und machte im diplomatischen Dienst Karriere. In der Nacht vom 5. auf den 6. September 1939 konnte er mit seiner Familie aus Deutschland fliehen. Ab 1940 arbeiteten er und insbesondere seine Ehefrau eng mit dem polnischen und dem britischen Geheimdienst zusammen. 1941 geriet Antoni in sowjetische Kriegsgefangenschaft. 

Hatte den späteren Brigadegeneral an dem Archivale das Vorgehen des kurbrandenburg-preußischen Militärs im Jahr 1682 interessiert? 
Oder war der Nutzer gar nicht der polnische Attaché, sondern der Wissenschaftler Hans Szymanski (1892–1968)? Ausgestattet mit einem Forschungsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft hat der Historiker nämlich die umfangreiche archivalische Überlieferung im GStA, in den preußischen Staatsarchiven Aurich, Königsberg und Stettin sowie die Überlieferung der Preußischen Staatsbank (Seehandlung) und Archivgut im Heeresarchiv in Potsdam ausgewertet. 1939 legte er die erste umfassende Darstellung über die kurbrandenburg-preußische Marine von 1605 bis 1815 vor. 
Wer die Personen auf dem Foto sind, das Friedrich Wilhelms Schriftwechsel mit den ostfriesischen Ständen aus dem Jahr 1682 als Lesezeichen beiliegt, und wer sie fotografiert hat, werden wir wohl nie erfahren. Es lassen sich nicht alle Geheimnisse der Geschichte lüften.

Für die Marinegeschichte von Interesse bleibt freilich nicht zuletzt die Akte, in welcher das Foto sich befand. Von den Ambitionen des Großen Kurfürsten, Brandenburg-Preußen als ernstzunehmende Kriegs- und Handelsmacht auf den bekannten Meeren zu präsentieren, zeugen aber auch zahlreiche bildliche Darstellung – so etwa das Gemälde „Dreimaster auf leicht bewegter See“ von Olfert de Vrij (1635–1699), das erst kürzlich in einer Studioausstellung der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin – PK zu sehen war. Dies sind nur zwei von zahlreichen Objekte in den Einrichtungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, welche für gegenwärtige Forschungsfragen von größter Relevanz sind.

Pauline Puppel