Eustachius und die Bienen

News vom 27.07.2023

Die Bienenzucht spielte in den Herrschaften Beeskow und Storkow einst eine wichtige Rolle. Ein spezieller Zweig der Honigwirtschaft war die Zeidlerei – das Sammeln von Honig wilder Waldbienen. In der kurfürstlichen Überlieferung zu Beeskow und Storkow ist eine Akte des 16. bzw. 17. Jahrhunderts zu diesem Gewerbe überliefert. Für den Bestand, zu dem sie gehört, liegt nun ein neues Online-Findbuch vor.

Adam Gottlob Schirach: Wald-Bienenzucht, Breslau 1774. © Bayerische Staatsbibliothek (NoC-NC)
Adam Gottlob Schirach: Wald-Bienenzucht, Breslau 1774. © Bayerische Staatsbibliothek (NoC-NC)

Eustachius von Schlieben war der vielleicht wichtigste politische Berater des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg während der Reformationszeit. Doch als er 1559 das bei Storkow gelegene Gut Stahnsdorf (heute Alt Stahnsdorf) erwarb, bekam er es mit dem Bruder des Kurfürsten zu tun – mit dem Markgrafen Johann, dem seit 1540 autonomen Herrscher über die Neumark sowie die Herrschaften Beeskow und Storkow.

Was war geschehen? Als Eustachius von Schlieben seine Neuerwerbung in Besitz nahm, fiel ihm auf, wie einträglich die Bienenzucht war. Im benachbarten Wald des Amts Storkow unterhielten Zeidler nämlich 36 Beuten, für die sie dem Amt Zinsen zu zahlen hatten. 

Bei diesen Beuten handelte es sich um Höhlen, welche die Zeidler zur Ansiedlung von Wildbienen in etwa fünf bis sechs Metern Höhe in Bäumen künstlich angelegt hatten. Die Höhlen wurden mit Vorsatzbrettern (Beuten) verschlossen – nur ein Flugloch blieb offen. Die Bäume wurden mit Eigentumsmarken gekennzeichnet. Der Auf- und Abstieg zu den Bienenwohnungen erfolgte mittels Seilen. Geerntet wurde im Herbst – und etwas dabei muss die Zeidler stutzig gemacht haben. Denn nun fiel auf, dass sie nicht die einzigen waren, die Beuten betrieben.

Der missliebige Konkurrent war niemand anderes als Eustachius von Schlieben. Das Gut Alt Stahnsdorf hatte er, wie er betonte, mit allen Rechten erworben – und dies nutzte er nun aus, um in seinen Waldungen eigene Beuten anlegen zu lassen. Angeblich hatten dies bereits die Vorbesitzer getan. 

Doch die Zeidler sahen ihre eigenen Rechte bedroht, brachen Schliebens Beuten auf und zerstörten sie mit Gewalt. In der Folge wurde die Sache durch den Oberhauptmann zu Beeskow und Storkow umfassend untersuchte und vom Markgraf Johann als Landesherr abschließend entschieden – und zwar im Sinne der Zeidler: Schlieben blieb die Anlage von Beuten untersagt.

Die Auseinandersetzung in Alt Stahnsdorf stand noch ganz im Zeichen der vormodernen Ökonomie, welche bestehenden Wirtschaftszweigen einen hohen Bestandsschutz angedeihen ließ – vom fiskalischen Eigeninteresse des Markgrafen ganz zu schweigen.

Erst in den folgenden Jahrhunderten schwanden die ökonomischen Grundlagen der Zeidlerei zunehmend: Rohrzucker drängte als Süßungsmittel auf den europäischen Markt, die Nachfrage nach Holz stieg, die Wälder schwanden – und mit ihnen die Zeidlerei. In der jüngsten Gegenwart wird die Zeidlerei jedoch als Teil einer ökologischen Waldwirtschaft wiederentdeckt – auch in Brandenburg. 

Der Streit zwischen Eustachius von Schlieben und den Zeidlern lässt sich einem Bericht entnehmen, den der Gutsbesitzer am 9. Oktober 1562 in Alt Stahnsdorf an seinen Markgrafen aufsetzte. Er ist abgelegt in der Akte mit der Bestellsignatur I. HA Geheimer Rat, Rep. 43 Herrschaften Beeskow und Storkow, Nr. 103 Zeidlerei und Honigzins. 

Dies und weitere Archivalien sind ab sofort im Online-Findbuch recherchierbar und – wie auch bisher schon – im Forschungssaal des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz einsehbar.