„Traurig, liebe Li, ist dies alles unendlich.“

News vom 19.04.2023

Männer im Dienste des preußischen Staates. Für Wilhelm von Humboldt offenbar nicht gerade eine begeisternde Aussicht.

Kant und seine Tischgenossen (Ausschnitt). (Foto-)lithografische Reproduktion (um 1895). Nach einem Gemälde von Emil Doerstling von 1892/93. (Bildnachweis: bpk Bildagentur Nr. 00025864)
Kant und seine Tischgenossen (Ausschnitt). (Foto-)lithografische Reproduktion (um 1895). Nach einem Gemälde von Emil Doerstling von 1892/93. (Bildnachweis: bpk Bildagentur Nr. 00025864)

„Traurig, liebe Li, ist dies alles unendlich.“

Humboldt schrieb diese Zeile am 4. Februar 1809 von Berlin aus an seine Ehefrau Caroline nach Rom, als er zu der Einsicht gelangt war, dass er sich seiner Pflicht nicht entziehen könne, seinen Beitrag zum Neuaufbau des preußischen Staates zu leisten. Für Wilhelm von Humboldt offenbar nicht gerade eine begeisternde Aussicht. Als Geheimer Staatsrat und Chef wurde ihm die Sektion für den Kultus und öffentlichen Unterricht aufgetragen. In der Konsequenz hieß dies, dass er sein bisheriges Leben als preußischer Gesandter und sein geliebtes Rom aufgeben musste, um in untergeordneter Position zu wirken, und das obendrein im ostpreußischen Königsberg, wohin sich Monarch und Regierung überstürzt zurückgezogen hatten.

Doch woraus schöpften Handlungs- und Entscheidungsträger des Absolutismus und des ausgehenden ancien régime ihre Haltung als Staatsmänner, wie begriffen sie ihre Tätigkeit? Welche Horizonte im Denken und Handeln leiteten die Akteure, und wie verschoben sich diese Horizonte bei der sich verdichtenden Staatsbildung im 18. Jahrhundert bis zum Übergangs- oder Zäsurjahr 1806? Diesen und weiteren Fragen widmete sich ein Workshop, der im Oktober 2021 im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam stattfand.

Die Initiative zu diesem „interdisziplinären Werkstattgespräch“ von Herrn PD Dr. Georg Eckert (Freiburg i.Br./Wuppertal) und von Frau Univ.-Prof.in Dr. Carola Groppe (Hamburg) hat das Geheime Staatsarchiv PK gern unterstützt. Der nun vorliegende Tagungsband vereinigt mit einer umfassenden Einleitung und zehn Beiträgen in vier Sektionen sowohl einzelbiografische Studien wie auch Gruppenuntersuchungen. Bekanntlich war die Zeit ab 1740 nicht nur eine Vorstufe zur Reformära, denn die aufklärerischen Herausforderungen und Erneuerungsimpulse bildeten keine Inseln, sie drangen bis in höchste Regierungs- und Verwaltungsebenen vor. Doch wie bestimmten die „Bildungswelten“ die „Denkwelten“ der Akteure, strahlten diese in deren „Handlungswelten“ und wirkten diese auf „Karrierewelten“? Voraussetzungen, Spannungen und Ambivalenzen des Regierungshandeln werden durch multiperspektivische Betrachtungsweisen aus unterschiedlichen methodischen Analyseansätzen und Forschungskonzepten stärker sichtbar gemacht und geschärft.

Mit Kontinuitäten und Brüchen ab dem Übergangsjahr 1806 bis 1820 bei der Formung des „preußischen Staatsmanns“ befasste sich mittlerweile ein zweiter Workshop im März 2023: „Die Helden der Niederlage“. Die Ergebnisse werden in einem zweiten Tagungsband zusammengefasst, der demnächst erscheinen wird. 

Paul Marcus

Preußische Staatsmänner – Herkunft, Erziehung und Ausbildung, Karrieren, Dienstalltag und Weltbilder zwischen 1740 und 1806. Hrsg. v. Georg Eckert, Carola Groppe und Ulrike Höroldt (Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, Forschungen Band 21,1), Berlin Duncker & Humblot 2023
Tab., VI, 276 Seiten
Print <ISBN 978-3-428-18869-7> geb., € 89,90