„Wir Friedrich […] König von Preussen etc.“ Zum 250-jährigen Jubiläum der Königstitulatur

News vom 13.09.2022

Über 70 Jahre lang durfte sich das Oberhaupt der Hohenzollern in Europa nur König in Preußen nennen. Erst das Verhandlungsgeschick Friedrichs des Großen führte zur Titulatur König von Preußen. Welche Rolle spielten dabei das Konvokationspatent vom 13. September 1772 und eine Gedenkmedaille des jüdischen Medailleurs Jacob Abraham?

Entwurf zur Gedenkmedaille auf die Huldigung zu Marienburg 1772 (GStA PK, I. HA GR, Rep. 7 B, Nr. 20)
Entwurf zur Gedenkmedaille auf die Huldigung zu Marienburg 1772 (GStA PK, I. HA GR, Rep. 7 B, Nr. 20)

Feierliche Huldigung in Marienburg
Der 27. September 1772 dürfte den Einwohner*innen Marienburgs [heute Malbork an der Nogat in Polen] spektakulär in Erinnerung geblieben sein: Auf der ehemaligen Ordensburg des Deutschritterordens versammelten sich rund 650 Personen aus der polnischen Elite. Darunter befanden sich Angehörige alteingesessener Adelsfamilien, die Bischöfe von Culm und Ermland sowie Bürgermeister und Schöffen verschiedener Dörfer und Städte. Sie alle folgten dem Aufruf ihres neuen Herrn König Friedrich II. Diesem hatten sie standesgemäß ihre Ehrerbietung durch Huldigung zu bekunden und sich unter die Herrschaft Preußens zu begeben. Eine Chance, Friedrich leibhaftig zu begegnen, blieb der Menge jedoch versagt, denn der Monarch entsandte seinen Etatsminister Jakob Friedrich von Rodh und den General Joachim Friedrich von Stutterheim nach Marienburg, welche die Huldigung an seiner statt entgegennahmen.

Das Konvokationspatent von 1772
Doch weshalb verfügte Friedrich der Große eine aufwendige zeremonielle Huldigung in Marienburg? Hier lohnt sich ein Blick in das Konvokationspatent vom 13. September 1772, denn dieses formuliert erstmals die Königstitulatur in folgenden Worten: „Wir Friedrich, von Gottes Gnaden, König von Preussen […]“ (GStA PK, I. HA GR, Rep. 7 B, Nr. 20). Die zunächst unscheinbare Flexion „von“ sollte für nachfolgende Generationen in ganz Europa langfristige Folgen bereithalten. Ab diesem Zeitpunkt entwickelte sich der Begriff „Preußen“ endgültig als feste Bezeichnung für das Staatengebilde von der Ostsee bis ins westliche Rheinland.

Vom ersten „König in Preußen“
Die Geschichte der Königstitulatur beginnt für die Hohenzollern im Jahr 1701. Im Zuge seiner Verhandlungen mit dem habsburgischen Kaiserhaus um eine Standeserhöhung gelang es Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg-Preußen, die Königswürde zu erhalten. Mit einem imposanten Gefolge von rund 300 Reise- und Gepäckwagen und einem 200-köpfigen Hofstaat bewältigte Friedrich mitten im Winter die Route vom Berliner Schloss in Richtung Königsberg in knapp zwei Wochen. Am 18. Januar 1701 krönte er sich und seine Frau Sophie Charlotte eigenmächtig im Königsberger Schloss in Anwesenheit seiner treuergebenen Ritter vom Schwarzen Adlerorden, den Friedrich tags zuvor begründet hatte. 

Die berühmte Prunksüchtigkeit des neuen Königs äußerte sich in der ausschweifenden Gestaltung der Krönungsfeier und veräußerten Geschenken: Am Krönungstag selbst wurden dem Königsberger Volk Münzen im Wert von über 6.000 Talern ausgeschüttet. Zudem kosteten das riesige Bankett mit zwei weinsprudelnden Brunnen sowie ein großes Feuerwerk über der Stadt dem neuen Monarchen am Ende rund sechs Millionen Taler.

Unter den europäischen Königshäusern erfuhr die Titulatur Friedrichs eine gewisse Belustigung und fehlende Ernsthaftigkeit, da er sich offiziell nur als König in Preußen bezeichnen durfte. Dieser Titel ist wohl überlegt worden: Da das von Friedrich verwaltete Herzogtum Preußen nur den östlichen Bereich des preußischen Territoriums darstellte und der westliche Teil weiterhin dem Königreich Polen unterstand, durfte der Titel König von Preußen nicht verwendet werden, denn ansonsten wären die Interessen Polens fundamental angegriffen worden.

Der Erwerb „Polnisch-Preußens“ 
Jedoch änderte sich die politische Großwetterlage in der Regierungszeit von Friedrichs Enkel. In seinem Politischen Testament von 1752 stellte Friedrich der Große bereits erste Überlegungen dazu an, die von Polen kontrollierten preußischen Gebiete unter seiner Herrschaft zusammenzuführen: 

„Polnisch-Preußen […] trennt Pommern von Ostpreußen und hindert dieses zu behaupten, erstens wegen der Stromschranke der Weichsel und zweitens wegen der drohenden russischen Truppenlandung im Danziger Hafen […]. Ich halte es nicht für angebracht, diese Provinz mit Waffengewalt zu gewinnen […]. Erwerbungen mit der Feder sind solchen mit dem Schwert allemal vorzugehen.“ (GStA PK, BPH, Urkunden, III Nr. 128a).

Tatsächlich bewahrheitete sich seine Vorhersage im Kontext der Ersten Polnischen Teilung. Nachdem Zarin Katharina die Große 1764 im innenpolitisch angeschlagenen Polen intervenierte, entzündete sich in Osteuropa ein machtpolitischer Flächenbrand, den der „Alte Fritz“ und seine Rivalin Maria Theresia nutzten, um preußische und österreichische Truppen in Polen zu stationieren. Da sich die Lage zuspitzte und der König in Preußen keinen offenen Krieg mit Russland und Österreich anstrebte, schickte er seinen Bruder Heinrich im Winter 1770 zu Verhandlungen an den Hof der Zarin. Zustande kam am 15. Januar 1772 der Vertrag von Sankt Petersburg, der ein Mächtegleichgewicht zwischen den drei Staaten auf Kosten polnischen Territoriums zu erzeugen suchte. 

Friedrich erhielt dadurch das von ihm begehrte „Polnisch-Preußen“, welches die Wojewodschaften Marienburg, die Bistümer Culm und Ermland, Pomerellen, den Netzedistrikt sowie die Stadt und das Gebiet Elbing umfasste. Insgesamt fielen dem Monarchen 36.000 km2 Landmasse und rund 600.000 deutsch-, kaschubisch- und polnischstämmige Untertanen zu.

Mit dem Erwerb der neuen Territorien ergriff Friedrich die Chance, die Königstitulatur entsprechend anzupassen. Sechs Monate nach Vertragsschluss ließ er das Konvokationspatent von seinem Hofbuchdrucker Georg Jacob Decker anfertigen und verfügte seinen Beamten, das Schriftstück mit dem Huldigungstermin den ehemals polnischen geistlichen und weltlichen Ständen zu übermitteln. Von da an bezeichnete sich der Monarch selbstbewusst als König von Preußen.

Eine Medaille zur ewigen Erinnerung
Im Vorfeld der Huldigung beauftragte Friedrich seine beiden Staatsmänner und engen Vertrauten im Departement für auswärtige Angelegenheiten, Karl Wilhelm von Finckenstein und Ewald Friedrich von Hertzberg, mit dem Entwurf für eine Gedenkmedaille anlässlich der territorialen Erwerbungen. Eine Skizze zu Aussehen und Form befindet sich heute im Bestand GStA PK, I. HA GR, Rep. 7 B, Nr. 20. Der Monarch bekundete in einer kurzen Notiz seine große Freude am Entwurf und verfügte, diese durch den Intendanten seiner Münze anfertigen zu lassen. Gemeint war damit Jacob Abraham, der seit 1752 in der Alten Berliner Münzstätte arbeitete und bis heute in der Numismatik als bedeutendster jüdischer Medailleur in Friedrichs Regierungszeit anerkannt wird. 

Die Medaille zeigt auf der Vorderseite ein belorbeertes Brustbild Friedrichs des Großen nach rechts mit Harnisch und Überwurf gemäß einem römischen Imperator. Auf der Rückseite übergibt die personifizierte Landesgöttin von Pommerellen dem König eine Karte, auf welcher die neuerworbenen Gebiete eingezeichnet sind. Im Bestand GStA PK, VIII. HA, D 2 Medaillensammlung Boldt, Harald ist ein Exemplar der Medaille archiviert, die am Tag der Huldigung den Anwesenden in Marienburg ausgegeben wurde. Erfreulicherweise ist es in diesem Fall sogar möglich, das preußische Verwaltungsschriftgut mit einem musealen Objekt zu verknüpfen: Das Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin hat die Medaille in ihrem Online-Katalog verzeichnet. So ist es möglich, den Entwicklungsprozess vom Entwurf hin zum ausgefertigten Produkt nachvollziehen zu können.

Jonas Springer