Preußen-Deutschland und China 1842-1911

News vom 11.04.2022

Cord Eberspächer erschließt erstmals systematisch deutsche und chinesische Archivalien zu den Anfängen der preußisch-deutsch-chinesischen Beziehungen in den Kernbereichen Politik, Wirtschaft und Kultur.

Note des Generalgouverneurs der beiden Guang-Provinzen Qi Ying an den preußischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten Karl Ernst Wilhelm Freiherr von Canitz und Dallwitz vom 25. Dezember 1847 (GStA PK, III. HA MdA, II Nr. 722)
Note des Generalgouverneurs der beiden Guang-Provinzen Qi Ying an den preußischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten Karl Ernst Wilhelm Freiherr von Canitz und Dallwitz vom 25. Dezember 1847 (GStA PK, III. HA MdA, II Nr. 722)

Deutsch-chinesische Projektkooperation

Die von Cord Eberspächer erstellte Quellenedition zu den preußisch-deutsch-chinesischen Beziehungen in den Jahren 1842 bis 1911 ist das Ergebnis eines gemeinsamen Forschungsprojekts des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz und des Ersten Historischen Archivs in Peking, unterstützt durch die Zusammenarbeit mit dem Institut für Chinastudien an der Freien Universität Berlin und der Historischen Abteilung an der Peking Universität.

Die nun bei Duncker & Humblot erschienene kommentierte Quellenedition erschließt zum ersten Mal systematisch deutsche und chinesische Archivalien zu den Anfängen der preußisch-deutsch-chinesischen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert. Die Dokumente zeigen neue Aspekte im gegenseitigen Verhältnis auf, die in der Forschung bislang kaum oder gar nicht berücksichtigt worden sind. Die Edition umfasst 150 chinesische und deutsche Quellen, von denen der überwiegende Teil aus dem Ersten Historischen Archiv in Peking und dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz stammt. Ergänzend wurden Überlieferungen aus den Abteilungen Deutsches Reich und Militärarchiv des Bundesarchivs sowie aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amts herangezogen.

Mit seiner Erschließung der politischen und diplomatischen Überlieferungen, aber auch von Quellen, welche die wirtschaftlichen und kulturellen Interaktionen dokumentieren, gelingt es dem Historiker und Sinologen Eberspächer mit seinem kooperativ gedachten Werk beide Seiten über die Quellenlage zu informieren und eine Lücke zu schließen, die vor allem auf mangelnde Sprachkenntnisse zurückzuführen sei.

Erstmals gleichberechtigte Verflechtungsgeschichte

Eberspächers Anspruch ist es, China als gleichberechtigten Akteur in eine Globalgeschichtsschreibung für das 19. Jahrhundert einzubeziehen. Denn bisher wurde auf westlicher Seite China allzu oft in eine passive Rolle gedrängt und Europa allzu gern als modern und fortschrittlich dargestellt, um China als an Traditionen behaftet zu deklassieren. Die chinesische Geschichtsschreibung wiederum beschränkte sich auf die historischen Beziehungen zwischen China und dem europäischen Westen und verzichtete gänzlich auf eine dezidierte Erörterung der Beziehungen zu Preußen.

Deshalb argumentiert Eberspächer für eine kooperative Untersuchung von preußisch-deutsch-chinesischen Interaktionsprozessen unter Einbeziehung von Verflechtungen auf unterschiedlichen Ebenen aller beteiligten Akteure, und zwar auf Augenhöhe. Dabei interessieren ihn vor allem die zeitgenössischen Wahrnehmungen und die sich widerspiegelnden Identitäten beider Akteure.

Die Auswahl der bis auf zwei Ausnahmen bislang unveröffentlichten Quellen für den vorliegenden Band folgt deshalb dem Ansatz der histoire croisée nach Bénédicte Zimmermann und Michael Werner, die insbesondere die „Untersuchung komplexer Netzwerke und Verflechtung in den internationalen Beziehungen“ anstrebt. Auf diese Weise kann Eberspächer verdeutlichen, dass China nicht nur passiv auf das westliche Vordringen reagierte, sondern ganz im Gegenteil als Akteur eigenständig Initiativen entwickelte und seine Handlungsspielräume nutzte. Deutschland bewegte sich dagegen zwischen den Polen von imperialistischer Machtpolitik und dem Streben nach einem partnerschaftlichen Sonderverhältnis.

Historiografie und Sinologie – eine Symbiose

Der Autor Cord Eberspächer ist Historiker und Sinologe. Er hat Geschichte, Sinologie und Politikwissenschaft in Oldenburg, Hamburg, Leiden und Peking studiert und promovierte 2013 an der Universität Hamburg mit einer Arbeit über deutsche Kanonenbootpolitik in China. Nach Forschungsarbeiten am Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz und der University of Bristol leitete er das Konfuzius-Institut an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er ist Full Professor for Comparative Chinese and European History an der Hunan Normal University in Changsha und Dozent an der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der modernen chinesischen Geschichte in ihren globalhistorischen Bezügen, der Geschichte der deutsch-chinesischen Beziehungen und den Modernisierungsprozessen Chinas im 19. und 20. Jahrhundert.

Eberspächer, Cord (2021): Preußen-Deutschland und China 1842-1911. Eine kommentierte Quellenedition. Berlin: Duncker & Humblot (= Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz / Quellen; 74) – ISBN 978-3-428-18198-8

(Stefanie Bellach)