Unbekannte Grafik-Sammlung entdeckt und restauriert

News vom 01.04.2019

Entdeckung und Restaurierung einer umfangreichen Sammlung von Druckgrafiken, Handzeichnungen, Fotografien und illustrierten Büchern in den Beständen des Brandenburg-Preußischen Hausarchivs

24 Mappen mit ca. 430 Einzelblättern unterschiedlichen Formats und 15 großformatige Bücher – auf diesen Schatz stieß eine Archivarin 2015 zufällig während ihrer Arbeit an den Beständen des Brandenburg-Preußischen Hausarchivs (BPH). Darunter befinden sich handschriftliche und gedruckte Noten und Bücher, z. B. über Architektur im Mittelmeerraum, teilweise in Niederländisch, Italienisch und Latein. Zudem umfasst diese Sammlung u. a. Druckgrafiken und Handzeichnungen mit Landschaftsaufnahmen des Mittelmeerraums, biblischen Szenen und Personen sowie Ereignissen aus dem niederländischen Königshaus, sowohl schwarz-weiß als auch farbig. Das Gros dieses Teilbestandes stammt aus dem 19. Jahrhundert.

Intensive Recherchen ergaben, dass es sich um einen Zugang an das Deutsche Zentralarchiv, Historische Abteilung II in Merseburg aus dem Jahr 1981/82 handelt. Dort wurde das Konvolut dem Nachlass der Prinzessin Marianne von Preußen (1810-1883) zugeordnet, blieb jedoch unbearbeitet, bis vor kurzem.

Prinzessin Marianne ist eine am 09. Mai 1810 in Berlin geborene, niederländische Prinzessin, welche 1830 mit ihrem Cousin Prinz Albrecht von Preußen (1809-1872) verheiratet wurde. Das Paar lebte in Berlin und bekam drei Kinder (Charlotte, Albrecht und Alexandrine).
1842 besuchte Prinzessin Marianne zum ersten Mal Neapel und Rom sowie zahlreiche Museen, Kirchen und Theater und gewann vielfältige Eindrücke von dieser bedeutenden Kulturlandschaft.
Während ihrer Abwesenheit hatte sich Prinz Albrecht in Rosalie von Rauch (Tochter des preußischen Kriegsministers) verliebt. Prinzessin Marianne verlangte die Scheidung. Allerdings wurde ihr diese erst 1849 gewährt. Damit einher ging die lebenslange Verbannung vom preußischen Hof und die Trennung von ihren Kindern.
Fortan zog sie sich aus Preußen zurück. Sie besuchte ihre Güter in Schlesien und den Niederlanden und bereiste Italien. Ab 1850 lebte die Prinzessin in Rom, wo sie eine umfangreiche Gemäldesammlung, antike und zeitgenössische Statuen und wertvolle Objekte des Kunstgewerbes erwarb.
Ihren „Lebensmittelpunkt“ fand die Prinzessin Marianne 1855 am Rhein in Erbach auf Schloss Reinhartshausen. Für ihre umfangreiche Kunstsammlung richtete sie dort ein eigenes Museum ein, welches zahlreiche Gäste anlockte. Bis weit über ihren Tod hinaus galt Prinzessin Marianne als Kunstliebhaberin, Sammlerin und Mäzenatin.
Ungebrochen blieb auch ihr Interesse an der Geschichte des Hauses Nassau-Oranien. Sie unternahm zahlreiche Reisen zu dessen Stammsitzen und engagierte sich für das Andenken daran. Am 29. Mai 1883 starb Prinzessin Marianne auf Schloss Reinhartshausen und fand ihre letzte Ruhe auf dem Gemeindefriedhof in Erbach.

Prinzessin Marianne von Preußen war eine Frau mit sozialem, kulturellem und ökonomischem Sinn, großmütig und wohltätig unabhängig davon aber auch den Verhaltensnormen ihrer königlichen Abstammung unterlegen. Von diesem wechselhaften Leben, den familiären Ereignissen, ihren Reisen und ihrem spezifischen Interesse an Kunst und Kultur zeugt auch die
aufgefundene Sammlung von Druckgrafiken, Handzeichnungen, Fotografien und illustrierten Büchern.

Der Werdegang dieser Archivalien kann zwar nicht lückenlos zurückverfolgt, anhand des Erhaltungszustandes aber zumindest erahnt werden. Sowohl die Mappen als auch die einzelnen Blätter waren in einem schlechten Zustand. Alles war verschmutzt, beschädigt, oft waren Wasserflecken und Fußabdrücke zu erkennen. Daher wurde die komplette Sammlung einer umfassenden Säuberung (2016-2017) und zum Teil notwendigen Restaurierungen (2018) durch die Mitarbeiter der Restaurierungswerkstatt des Geheimen Staatsarchivs PK unterzogen. Hauptmaßnahmen waren die Entfernung von Schimmel mittels Trockenreinigung, das Schließen von Rissen und die Ergänzung von Fehlstellen mit Japanpapier. Die wertvollen und fragilen Kunstgegenstände sind nun in säurefreien Mappen und Kartons verpackt, teilweise als Maßanfertigung.

Aktuell wird die aufgefundene und restaurierte Sammlung nach archivischen Gesichtspunkten in den Bestand GStA PK, BPH, Rep. 60 I Prinz Albrecht der Ältere aufgenommen und verzeichnet.
Die Bücher dieser Sammlung sind bereits über den OPAC des Geheimen Staatsarchivs PK katalogisiert, zu recherchieren und bestellbar.

Nach Abschluss der Arbeiten wird das Konvolut von Kunstwerken neuartige Blicke auf das Leben der Prinzessin Marianne ermöglichen. Es gibt nicht nur Hinweise auf einzelne Stationen in ihrer Biografie, sondern auch auf ihre speziellen kulturellen und künstlerischen Interessen. Die Erschließung des Teilbestandes wird außerdem zur interdisziplinären, objektbasierten Forschung beitragen.