Kirchenordnungen und Visitationen zwischen Nürnberg und Königsberg
Kirchenordnungen und Visitationen zwischen Nürnberg und Königsberg
Kirchenordnungen und Visitationen waren wichtige Mittel zur Etablierung und Ausgestaltung der Reformation in den protestantischen Territorien. Die Hohenzollern-Fürsten in Franken, Brandenburg und Preußen erließen für ihren Herrschaftsbereich jeweils eigene Kirchenordnungen.
Der folgende Text wurde zuerst abgedruckt in: Mathis Leibetseder (Hg.): Kreuzwege. Die Hohenzollern und die Konfessionen 1517-1740, Berlin 2017, S. 178-181.
Traditionell herrschte zwischen der Reichsstadt Nürnberg, dem Aufbewahrungsort der Reichsinsignien, und den Markgrafen von Ansbach bzw. Kulmbach ein von politischen Interessengegensätzen geprägtes Verhältnis. Doch in der Religionsfrage arbeiteten die Nürnberger Ratsherren seit dem Regierungsantritt des Markgrafen Georg in Ansbach (1527) mit diesem eng zusammen. Der Bedarf nach einer Kirchenordnung entstand in Ansbach und Nürnberg erst infolge der Visitationen. Mit dem Entwurf beauftragt wurde Andreas Osiander (1498–1552), seit 1522 Prediger an St. Lorenz in Nürnberg. Osiander, wie Luther ein ehemaliger Augustiner, war an der Einführung der Reformation in Nürnberg seit 1525 maßgeblich beteiligt gewesen. Sein erster Entwurf für die Kirchenordnung traf jedoch nicht auf einhellige Zustimmung; in den anschließenden Abstimmungsprozess wurden auch Ansbach und Wittenberg eingebunden. Schließlich fassten Osiander und Johannes Brenz (1499–1570) die verschiedenen Redaktionsstufen zusammen, so dass die Kirchenordnung 1533 in der Reichsstadt und den markgräflichen Territorien in Kraft gesetzt werden konnte.
In Berlin-Cölln beschäftigte sich Kurfürst Joachim II. von Brandenburg bald nach Übernahme der Regierungsgeschäfte im Jahre 1535 mit einer Kirchenordnung für seinen Herrschaftsbereich. Offenbar plante er zunächst, von papstkirchlichen bzw. reformkatholischen Theologen im Umkreis seines Hofes eine Kirchenordnung ausarbeiten zu lassen, die auch protestantischen Kernanliegen Rechnung trug, was allerdings scheiterte. Melanchthon, der dem Kurfürsten als Ratgeber nicht zuletzt von der Ansbacher Verwandtschaft ans Herz gelegt wurde, reiste in dieser Zeit wiederholt an die Spree, und beriet Joachim II. Ein Durchbruch wurde aber erst erzielt, als Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach seinen Hofprediger Jakob Stratner (gest. 1550) nach Berlin schickte, der einen auf der nürnbergisch-ansbachischen Kirchenordnung von 1533 basierenden Entwurf vorlegte. Die Einleitung steuerte der Kurfürst persönlich bei. Das Ergebnis wurde vor dem Erstdruck 1540 Wittenberg vorgelegt, erst danach jedoch dem Kaiserhof zugeleitet. Wittenberg stimmte der brandenburgischen Kirchenordnung mit Einschränkungen zu, während sie vom Hofprediger König Ferdinands I. scharf verurteilt wurde. Der Kaiser gestattete Joachim II. dennoch, diese bis zur Lösung der Religionsfrage beizubehalten. Mit der Publikation der Kirchenordnung fiel auch in der Mark Brandenburg der Startschuss für Visitationen, wobei Gemeinden und kirchliche Einrichtungen in drei Wellen (ab 1540, um 1551 und um 1557) bereist und durchmustert wurden (6). Die Kampagnen verfolgten allerdings unterschiedliche Zwecke: Während die erste Visitation der Durchsetzung der Kirchenordnung geschuldet war, diente die zweite, ständischen Forderungen entsprechend, fiskalischen Belangen und die dritte der Disziplinierung des Pfarrstandes.
Das herzogliche Preußen war das erste Territorium überhaupt, in dem die Reformation eingeführt wurde. Eine Serie von Kirchenordnungen, deren letzte 1568, also im Todesjahr Herzog Albrechts, erschien, begleitete die Reformation. Von dem Königsberger Domprediger Johann Briesmann (1488–1549) und dem herzoglichen Hofprediger Paul Speraturs (1484–1551) erarbeitete „Artickel der Ceremonien und anderer Kirchen Ordnung“ wurden bereits Ende 1525 von einem Landtag angenommen und 1526 publiziert. 1544 erschien eine erweiterte „Ordenung vom eusserlichen Gotsdienst vnd artickel der Ceremonien“,welche sich stärker an der Wittenberger Kirchenordnung orientierte und von Luther approbiert worden war. Dazwischen lagen diskontinuierlich durchgeführte Visitationen: diese begannen mit jener, die auf der Grundlage der am 31. März 1526 erlassenen Visitations-Instruktion durchgeführt wurden. Die dabei gesammelten Erfahrungen schlugen sich in den Visitationen von 1528 nieder, bei denen die Pfarrämter erneut überprüft wurden; 1530, 1533, 1538 und 1541–1543 schlossen sich weitere Visitationen an, an denen zuletzt sogar Herzog Albrecht persönlich teilnahm.
Eine völlige Neubearbeitung der Kirchenordnung aus der Feder des Königsberger Dompredigers Matthäus Vogel (1519–1591) erschien 1558 als Zeichen des erstarkenden Osiandrismus am herzoglichen Hof. Osianders Lehre, insbesondere in der Rechtfertigungsfrage, hatte eine heftige theologische Kontroverse ausgelöst, wobei der Herzog der Auffassung Osianders folgte, den er 1549 an die Universität Königsberg berufen hatte. Die vierte und letzte Kirchenordnung knüpfte an jene des Jahres 1544 an. Alles in allem wurde die entstehende preußische Landeskirche dem ‚Mainstream‘ protestantischer Landeskirchen immer stärker angeglichen. Hier wie in den übrigen protestantischen Territorien waren die Kirchenordnung wichtige Instrumente zur Institutionalisierung der Reformation.
(1) Susanne Kleinöder-Strobel: Die Verfolgung von Zauberei und Hexerei in den fränkischen Markgrafentümern im 16. Jahrhundert, Tübingen 2002 (Spätmittelalter und Reformation, Neue Reihe 20), S. 46.
(2) Michael Höhle: Universität und Reformation. Die Universität Frankfurt (Oder) von 1506 bis 1550, Köln u.a. 2002.
(3) Walther Hubatsch: Albrecht von Brandenburg-Ansbach. Deutschordens-Hochmeister und Herzog in Preußen, 1490–1568, Heidelberg 1960, S. 142f., 154f.
(4) Iselin Gundermann: Herzogtum Preußen, in: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500–1650, hg. von Anton Schindling, Walter Ziegler, Teil 2: Der Nordosten, Münster 1990 (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung, 50), S. 220–233, S. 225f.
(5) Editionen: Emil Sehling (Hg.): Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, Bd. 1–[24], Leipzig 1902–[2012].
(6) Iselin Gundermann: Kirchenregiment und Verkündigung im Jahrhundert der Reformation (1517 bis 1598), in: Tausend Jahre Kirche in Berlin-Brandenburg, hg. von Gerd Heinrich, Berlin 1999, S. 147–241, S. 182-183.