1811 - Kleist an König Friedrich Wilhelm III.

1811 - Kleist an König Friedrich Wilhelm III.

Großmächtigster, Allergnädigster König und Herr, ... Eine Transskription

von Anke Klare

Kleist an König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, Berlin, 17. Juni 1811

Großmächtigster,

Allergnädigster König und Herr,

Kleist an Friedrich Wilhelm III. von Preußen, Berlin, 17. Juni 1811
Kleist an Friedrich Wilhelm III. von Preußen, Berlin, 17. Juni 1811, Bl. 1 © Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz / Digitalisierungswerkstatt

Eu[er] Königlichen Majestät erhabenem Thron unterstehe ich
mich, in einem Fall, der für mein ferneres Fortkommen im Va-
terlande von der höchsten Wichtigkeit ist, mit folgender unter-
thänigsten Bitte um allerhöchste Gerechtigkeit, zu nahen. S[eine]r Ex-
cellenz, der H[err] Staatskanzler, Freiherr v[on] Hardenberg, ließen
mir, im November vorigen Jahres, bei Gelegenheit eines in dem
Journal: das Abendblatt, enthaltenen Aufsatzes, der das Unglück
hatte, denenselben zu misfallen, durch den damaligen Präsidenten
der Polizei, H[errn] Gruner, und späterhin noch einmal wiederholentlich
durch den H[errn] Regierungsrath [1] von Raumer, die Eröffnung machen,
daß man dies Institut mit Geld unterstützen wolle, wenn ich mich
entschließen könne, dasselbe so, wie es den Interessen der Staats-
kanzlei gemäß wäre, zu redigieren. Ich, der keine anderen Inter-
essen, als die Eu[er] Königlichen Majestät, welche, wie immer, so auch
diesmal, mit denen der Nation völlig zusammenfielen, berück-
sichtigte, weigerte mich anfangs, auf dieses Anerbieten einzugehen;
da mir jedoch, in Folge dieser Verweigerung, von Seiten der
Censurbehörde solche Schwierigkeiten in den Weg gelegt wurden,
die es mir ganz unmöglich machten, das Blatt in seinem früheren
Geiste fortzuführen, so bequemte ich mich endlich nothgedrungen
in diesen Vorschlag: leistete aber in einem ausdrücklichen Schrei-
ben an den Präsidenten, H[errn] Gruner, vom 8t Dec[ember] v[origen] J[ahres] auf die mir
angebotene Geldunterstützung ehrfurchtsvoll Verzicht, und bat

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mir bloß, zu einiger Entschädigung, wegen beträchtlich
dadurch verminderten Absatzes, der zu erwarten war, die
Lieferung officieller das Publikum interessierender Beiträge
von den Landesbehörden aus. Von dem Augenblick an, da S[eine]r
Excellenz mir dies versprachen, gab das Blatt den ihm eignen
Charakter von Popularität gänzlich auf; dasselbe trat unter
unmittelbare Aufsicht der Staatskanzlei, und alle Aufsätze,
welche die Staatsverwaltung und Gesetzgebung betrafen,
giengen zur Prüfung des H[errn] Regierungsraths von Raumer. [2]
Gleichwohl blieben jene officiellen Beiträge, ohne welche, bei
so verändertem Geiste, das Blatt auf keine Weise bestehen konn-
te, gänzlich aus; und obschon ich weit entfernt bin, zu behaupten,
daß S[eine]r Excellenz Absicht war, dies Blatt zugrunde zu richten,
so ist doch gewiß, daß die gänzliche Zugrundrichtung desselben,
in Folge jener ausbleibenden officiellen Beiträge, erfolgte,
und daß mir daraus ein Schaden von nicht weniger als 800 R[eichs]th[alern]
jährlich erwuchs, worauf das Honorar mit meinem Verleger
festgesetzt war. Wenn ich nun gleich, wie schon erwähnt, An-
fangs jede Geldunterstützung gehorsamst von mir ablehnte,
so war doch nichts natürlicher, als daß ich jetzt, wegen des
Verlusts meines ganzen Einkommens, wovon ich lebte, bei S[eine]r
Excellenz um eine Entschädigung einkam. Aber wie groß war
mein Befremden, zu sehen, daß man jene Verhandlungen mit
der Staatskanzlei, auf welche ich mich berief, als eine lügen-
hafte Erfindung von mir behandelte und mir, als einem
Zudringlichen, Unbescheidenen und Überlästigen, mein Gesuch

Kleist an Friedrich Wilhelm III. von Preußen, Berlin, 17. Juni 1811
Kleist an Friedrich Wilhelm III. von Preußen, Berlin, 17. Juni 1811, Bl. 2 © Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz / Digitalisierungswerkstatt
Kleist an Friedrich Wilhelm III. von Preußen, Berlin, 17. Juni 1811
Kleist an Friedrich Wilhelm III. von Preußen, Berlin, 17. Juni 1811, Bl. 3 © Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz / Digitalisierungswerkstatt

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um Entschädigung gänzlich abschlug! S[eine]r Excellenz haben
nun zwar, auf diejenigen Schritte, die ich deshalb gethan,
in ihrem späterhin erfolgten Schreiben vom 18t Aprill d[ieses] J[ahres], im All-
gemeinen mein Recht, eine Entschädigung zu fordern, gnä-
digst anerkannt; über die Entschädigung selbst aber, die man
mir durch eine Anstellung zu bewirken einige Hoffnung machte,
ist, so dringend meine Lage auch solches erfordert, bis diesen Au-
genblick noch nichts verfügt worden, und ich dadurch schon mehr
als einmal dem traurigen Gedanken nahe gebracht worden, mir
im Ausland mein Fortkommen suchen zu müssen. Zu Eu[er] Königlichen
Majestät Gerechtigkeit und Gnade flüchte ich mich nun mit der
allerunterthänigsten Bitte, S[eine]r Excellenz, dem H[errn] Staatskanzler
aufzugeben, mir eine Anstellung im Civildienst anweisen zu
lassen, oder aber, falls eine solche Stelle nicht unmittelbar, wie
sie für meine Verhältnisse paßt, auszumitteln sein sollte, mir
wenigstens unmittelbar ein Wartegeld auszusetzen, das,
statt jenes besagten Verlusts, als eine Entschädigung gelten kann.
Auf diese allerhöchste Gnade glaube ich um so mehr einigen
Anspruch machen zu dürfen, da ich durch den Tod der verewigten Königinn
Majestät, welche meine unvergeßliche Wohlthäterinn war, eine Pension
verloren habe, welche Höchstdieselbe mir, zu Begründung einer unab-
hängigen Existenz und zur Aufmunterung in meinen litterarischen
Arbeiten, aus ihrer Privat-Chatouille auszahlen ließ,
Der ich in der allertiefsten Unterwerfung und Ehrfurcht er-
sterbe,
                 Eu[er] Königlichen Majestät,

Berlin, d[en] 17t Juni, 1811.                   allerunterthänigster

Mauerstraße N[ummer] 53.                   Heinrich von Kleist.

[1] Anmerkung darüber von fremder Hand: ist nicht wahr

[2] Anmerkung darunter am linken Rand von fremder Hand: falsch

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