Verschollenes Kulturgut kehrt zurück

News vom 09.04.2024

Seit 70 Jahren war im Findmittel hinter dem Eintrag „Staatsvertrag mit Sachsen, 1866“ vermerkt: „Verlust“. Jetzt ist das wertvolle Archivale dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz zurückgegeben worden.

Prof. Dr. Peter Wiegand, Staatsarchiv Dresden, nimmt von Prof. Dr. Glaser und seinem Sohn Christoph den Staatsvertrag von 1866 entgegen, © Sächsisches Staatsarchiv/Heike Moses
Prof. Dr. Peter Wiegand, Staatsarchiv Dresden, nimmt von Prof. Dr. Glaser und seinem Sohn Christoph den Staatsvertrag von 1866 entgegen, © Sächsisches Staatsarchiv/Heike Moses

Dem ehemaligen Landeskonservator von Sachsen, Prof. Dr.-Ing. Gerhard Glaser, und seiner Familie ist es zu verdanken, dass ein seit Ende des Zweiten Weltkriegs vermisstes Archivale jetzt wieder im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK) verwahrt wird.

Als sein Sohn und dessen Frau im Sommer 2022 von einer hochbetagten entfernten Verwandten an der amerikanischen Ostküste bezüglich des historischen Dokuments aus dem Nachlass ihres seit langem verstorbenen Vaters um Rat gebeten wurden, dauerte es nur wenige Stunden, bis Professor Glaser eine digitale Kopie des Dokuments in den Händen hielt und dessen Provenienz mit Prof. Dr. Peter Wiegand vom Sächsischen Hauptstaatsarchiv klärte. Letzterer stellte anhand äußerer und innerer Merkmale schnell und zweifelsfrei fest, dass es sich um Eigentum des GStA PK handelte. Als diese Nachricht Long Island erreichte, entschloss sich die Eigentümerin in Anbetracht ihrer Verbundenheit mit Deutschland, das Archivale an seinen Ursprungsort zurückzubringen, um es der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen. Da ihr dies leider selbst nicht mehr möglich war, wurde es ein Jahr später, im Sommer 2023 von ihrer Schwester zunächst nach Paris und anschließend von Prof. Glaser’s Schwiegertochter nach Dresden gebracht, bevor es mit Hilfe von Prof. Dr. Peter Wiegand wieder an seinen Ursprungsort zurückgelangte.

Prof. Dr. Peter Wiegand, Staatsarchiv Dresden, nimmt von Prof. Dr. Glaser und seinem Sohn Christoph den Staatsvertrag von 1866 entgegen, © Sächsisches Staatsarchiv/Heike Moses 

Das im Findmittel von 1951 als Verlust gekennzeichnete Archivale ist nun wieder der Öffentlichkeit zugänglich. Es handelt sich um die prachtvolle Ausfertigung des sächsisch-preußischen Friedensvertrags vom 21. Oktober 1866, eine in Samt eingeschlagene sechsseitige Urkunde mit einem an silber-grünen Schnüren anhängendem Siegel in silberner Kapsel. Die äußere Aufmachung spiegelt die hohe Bedeutung des Dokuments als eines grundlegenden Friedensvertrags infolge des preußisch-österreichischen Kriegs von 1866 wider.

Staatsvertrag 1866, © GStA PK / Christine Ziegler

Dieser Krieg endete mit der Niederlage Österreichs und besiegelte das Schicksal des von Kaiser Franz Joseph I. angeführten Deutschen Bunds. Preußen annektierte etliche Territorien des Deutschen Bundes, etwa das Kurfürstentum Hessen und das Königreich Hannover, mit anderen schloss es separate Friedensabkommen.

So auch mit König Johann von Sachsen, der den Friedensvertrag am 23. Oktober 1866 ratifizierte. Es war nicht zuletzt der Fürsprache des Kaisers zu verdanken, dass die Selbständigkeit Sachsens erhalten blieb und das Königreich als Pufferstaat zwischen Preußen und Österreich fortbestand. Dennoch wurde Preußens Großmachtstatus in Europa erheblich gestärkt.

Staatsvertrag 1866

Staatsvertrag 1866

Der Staatsvertrag gelangte noch 1866 ins Kabinettsarchiv und mit diesem schließlich ins Geheime Staatsarchiv, wo er mit ca. 4.200 anderen Staatsverträgen in einer Hauptgruppe zusammengefasst wurde. Diese Gruppe wurde im Zweiten Weltkrieg ausgelagert und gelangte danach in die UdSSR, welche sie in den 1950er Jahren an das Zentralarchiv der Deutschen Demokratischen Republik zurückgab. Der Friedensvertrag vom 21. Oktober 1866 blieb jedoch verschollen; er tauchte erst jetzt wieder auf. Nach der Rückkehr trägt er eine Signatur im Bestand III. HA Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten, in dessen Überlieferung die übrigen Staatsverträge in der Zwischenzeit eingeordnet wurden (III. HA MdA, I Nr. 3922/2 S). Er bildet den feierlichen Abschluss der im Jahr 1866 zwischen Preußen und Sachsen geführten Friedensverhandlungen (III. HA MdA, I Nr. 3922 und I Nr. 3922/1).

Ebenso wie der sächsisch-preußische Friedensvertrag von 1866 sind immer noch einige andere Archivalien seit dem 2. Weltkrieg als „Verlust“ gekennzeichnet. Über deren Verbleib ist häufig nichts Näheres bekannt. Aber ab und an kommt es vor, dass das GStA PK durch Auktionen oder auch durch das verantwortungsvolle Handeln von Privatleuten von solchen Archivalien erfährt. Im Idealfall findet das Kulturgut den Weg zurück ins Archiv. Es ist sehr erfreulich, wenn Verluste aus den preußischen Archiven und Sammlungen wieder in das Eigentum der SPK eingefügt und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können.

Pauline Puppel