Aus der Erschließungspraxis - Benzinversorgung vor 100 Jahren

News vom 04.01.2023

Steigende Benzinpreise und der Streit um den Tankrabatt bestimmten im Sommer 2022 die öffentliche Diskussion. Ein Fund aus Erschließungsarbeiten verdeutlicht, dass auch vor rund 100 Jahren die Treibstoffversorgung Deutschlands hohe Priorität genoss.

Dapolin-Pumpanlage
Dapolin-Pumpanlage

Eine Zapfsäule für die Dorfgemeinschaft

Am 22. Mai 1928 genehmigt der Amtsvorsteher des Amtsbezirkes Ottlau/Marienwerder (Westpreußen) den Bau einer Dapolin-Pumpanlage auf dem Grundstück der Firma Florian Steffen in Groß-Bandtken. Der Verfügung liegt eine eindrucksvolle technische Bauzeichnung bei, welche die Zapfsäule in ihren einzelnen Bestandteilen detailliert beschreibt. Als Bauherrin gibt sich die Deutsch-Amerikanische Petroleum-Gesellschaft (DAPG) zu erkennen. Diese wirbt damit, dass die Pumpanlage den neuesten technischen Standards entspricht und ein Fassungsvermögen von bis zu 2.000 Litern Benzin aufweist. Zudem stellt eine serviceorientierte Messvorrichtung automatisch zwei, fünf oder zehn Liter Treibstoff für die Betankung bereit. Die Zapfsäule im Amtsbezirk Ottlau ist die Antwort auf eine gesteigerte Motorisierung in der Weimarer Republik und der erhöhten Nachfrage an Mineralöl Ende der 1920er Jahre, welche die DAPG als größte Benzinlieferantin in Deutschland als florierendes Geschäft betrachtete.

Internationales Energieangebot für preußische Provinzen

Die DAPG wurde als Tochterkonzern der US-amerikanischen „Standard Oil“ durch die Kaufleute Carl und Franz Ernst Schütte sowie Wilhelm Anton Riedemann am 25. Februar 1890 in Bremen gegründet. Ab diesem Zeitpunkt organisierte die Gesellschaft den Import von Motorenbenzin aus den USA für den nordwestlichen Raum des Deutschen Kaiserreichs, insbesondere für die aufstrebende Handelsmetropole Hamburg. Doch betrachtete die DAPG auch die preußischen Provinzen jenseits der Oder als lukratives Absatzgebiet: Bereits ein Jahr nach der Gründung beantragte Carl Schütte beim preußischen Handelsministerium den Landerwerb in Stettin, um die Erschließung neuer Märkte für den Verkauf von Treibstoff in die Wege zu leiten (I. HA, Rep. 120, A XII 6 Nr. 87). Auf ihrem Höhepunkt im Jahre 1935 betrieb die Gesellschaft rund 18.000 Zapfsäulen (ca. 32,7 %) und war somit Marktführer in Deutschland. Nach dem Zweiten Weltkrieg benannte sich die DAPG in „Esso AG“ um, dessen blau-weiß-roter Schriftzug bis heute unverkennbar im Straßenbild erhalten ist. 

Zur Verzeichnung der Überlieferung XIV. HA, Rep. 358

Das Archivale dokumentiert die wirtschaftliche Entwicklung der DAPG und die strategischen Bemühungen, ihr Einzugsgebiet in Westpreußen zu erweitern. Zu finden ist die Zeichnung im Bestand XIV. HA, Rep. 358 Dörfer und Höfe. In der Akte Nr. 56 befinden sich neben den Informationen zur Zapfsäule eine Vielzahl an Baugenehmigungen von gewerblichen und privaten Antragsstellern, welche Grundrissskizzen und Außendarstellungen von Häuserfassaden als Anlagen bereithalten. Diese Dokumente zeichnen sich durch einen hohen Grad an Detailreichtum aus und dienen als aussagekräftiges Quellenmaterial zur Bau- und Siedlungsgeschichte der Gemeinde Ottlau.

Die Erschließung zur Überlieferung der Gemeindeverwaltung Ottlau ist abgeschlossen. 72 Verzeichnungseinheiten ermöglichen einen umfassenden Einblick in die Gemeindeverhältnisse und halten Unterlagen zur Dorfgeschichte als auch Ansätze zur familiengeschichtlichen Forschung bereit. 

Dapolin-Pumpanlage

Dapolin-Pumpanlage