Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Bildpublizistik war ein fester Bestandteil der Propaganda für Krieg und Frieden. Zwei Blätter zeigen, worum es ging.

Von Franziska Mücke

Der folgende Text wurde zuerst abgedruckt in: Mathis Leibetseder (Hg.): Kreuzwege. Die Hohenzollern und die Konfessionen 1517-1740, Berlin 2017, S. 374-375.

Flugblätter zeigen Kriegs- und Friedenserfahrung aufgrund ihrer relativ kurzen Herstellungszeit aus unmittelbarer Wahrnehmung. Allerdings schildern sie in der Regel nicht individuelles Erleben, sondern dienen der „Deutung kollektiver Erfahrung“ (1), zumeist im Schutze der Anonymität. Aus der letzten Phase des Dreißigjährigen Krieges entstand ein Flugblatt, das in satirischer Form die „Könige und Potentaten, Fürsten und Respublicken“ kritisierte, die ihr „Groß Europisch Kriegs Balet [...] auff dem Saal der betrübten Christenheit“ tanzten. Ohne zwischen den verschiedenen Konfessionen zu differenzieren, stellt der Text das gemeinsame Leiden aller Christen unter der Kriegslust der Herrscher heraus: „Seht / wir Christen Potentaten / einander hassen / verrahten / Land und Leute alles drauff geht Umbzutantzen diß Balet.“

Die Illustration spiegelt in der Gruppierung der Tänzer die Koalitionsbildung um 1644 wieder, die längst nicht mehr entlang konfessioneller Grenzen verlief: zum Lager der Protestanten, rechts im Bild, gehörte der katholische Kindkönig Ludwig XIV. von Frankreich (reg. 1643–1715), während zur kaiserlichen Partei, links im Bild, das protestantische Dänemark zählte. Keinem der beiden Lager war der brandenburgische Kurfürst  zuzuordnen, der im Hintergrund – zu spät? – durch die Tür eintritt, wohl zum Zeichen für die schwankende Politik und machtlose Position des Brandenburgers, der „kein Schantz zug’winnen“ weiß. Der schwedische König Gustav Adolf (reg. 1611–1632) liegt bereits tot auf dem Boden. Von oben herab wirft die Personifikation des Neides „Zanckäpfel“ unter die Tänzer. Zwar mahnt ihr Widerpart, ein Ölzweige streuender Engel, mit dem Tanz einzuhalten, aber „wofern ihr nicht auffhört Bring ich Hunger / Pest und Schwerd“.

Dankgebet für den Frieden. Kupferstich (1649)
Anonym: Danck=Gebet für den so langgewünschten und durch GOTTES Gnad nunmehr geschlossenen Frieden - o.O., [ca. 1649] $ Kupferstich, Radierung $ 47 × 31 cm - Provenienz: Sammlung Adam © Bayerische Staatsbibliothek München, Einbl. V,8 a-105; Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0
Groß Europisch Kriegs Balet. Kupferstich (nach 1643)
Anonym: Groß Europisch Kriegs Balet/ getantzet durch die Könige und Potentaten Fürsten und Respublicken/ auff dem Saal der betrübten Christenheit - o. O., [nach 1643] - Kupferstich, Radierung - 39,5 × 31,5 cm - Provenienz: Sammlung Adam © Bayerische Staatsbibliothek München, Einbl. V,8 a-97; Lizenz CC BY-NC-SA

Die Einsicht, dass keine der Kriegsparteien den Dreißigjährigen Krieg wirklich gewinnen konnte, und der Westfälische Friede schließlich einen fundamentalen Interessensausgleich bewirken musste, spiegelte sich in der Bildpublizistik im Zurücktreten einer hierarchisierenden, triumphalischen Ikonographie gegenüber Darstellungsformen, die auf Vermittlung und Gleichrangigkeit bedacht waren. Darstellungen nach dem Schema der Mehrparteilichkeit markierten so eine beginnende „figürliche Bildkultur des Staatensystems“(2). Dieser Ordnung folgt das Friedensblatt „Danck-Gebet für den so langgewünschten und durch Gottes Gnad nunmehr geschlossenen Frieden“. Inmitten einer großen Menge stehenden und knienden Volks und unter den ausgebreiteten Armen Gottes, reichen sich Königin Christine von Schweden (reg. 1632–1654, gest. 1689), König Ludwig XIV. von Frankreich und der Kaiser die Hand zum Vertragsschluss. Die Aufstellung der Herrscherfiguren im Vordergrund gehorcht der Konstellation des Vertragswerks, das in je einzelne Verträge zwischen dem Kaiser und Frankreich sowie Schweden aufgegliedert war. Die Gleichrangigkeit der Vertragsparteien wird zusätzlich durch ein dreiblättriges Kleeblatt betont, auf dem die drei Herrscher stehen (3). Während noch im ‚Kriegs Balet‘ die ‚Potentaten‘ als Urheber des Kriegs dargestellt waren, liegt dem ‚Danck-Gebet‘ nun klar die Auffassung eines durch Krieg strafenden und schließlich wieder Frieden schaffenden Gottes zu Grunde. Der Gebetstext spricht in seltener Deutlichkeit das nachwirkende Trauma der Erlebnisse der Kriegszeit aus: „Wenn wir gedencken an das überstandene Elend / an den außgegossenen Jammer / an die ergangene Landplagen / O so überlauffe uns die Augen mit Threnen / das Hertz bricht herauß mit Seufftzen / der Mund wird erfüllet mit Klagen / alle Glieder werden überfallen mit Furcht und Zittern /für der Grawsamkeit der Straffe [...]/ für der Grösse und Vielheit deß erlidtenen Unglücks“ (4).

(1) Esther-Beate Körber: Krisenbewusstsein und Krisenbewältigung in der Literatur nach 1648, in: Die Wahrnehmung von Krisenphänomenen. Fallbeispiele von der Antike bis in die Neuzeit, hg. von Helga Scholten, Köln [u.a.] 2007, S. 169–187, hier S. 172;

(2) Johannes Burkhardt: Auf dem Wege zu einer Bildkultur des Staatensystems. Der Westfälische Frieden und die Druckmedien, in: Der Westfälische Friede. Diplomatie, politische Zäsur, kulturelles Umfeld, Rezeptionsgeschichte, hg. von Heinz Duchhardt, München 1998, (Historische Zeitschrift, Beiheft N.F.  26), S. 81–114, hier S. 92;

(3) Burkhardt 1998 (wie Anm. 2), S. 97–100;

(4) Körber 2007 (wie Anm. 1), S. 175–177.

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