Die Stellung der Reformierten im Westfälischen Friedensschluss

Die Stellung der Reformierten im Westfälischen Friedensschluss

Konfession spielte im Dreißigjährigen Krieg eine zentrale Rolle. Doch welche Stellenwert maß der Große Kurfürst ihr bei, als er seine Gesandten zum Friedenskongress nach Osnabrück und Münster entsandte?

Von Franziska Mücke

Der folgende Text wurde zuerst abgedruckt in: Mathis Leibetseder (Hg.): Kreuzwege. Die Hohenzollern und die Konfessionen 1517-1740, Berlin 2017, S. 372-373.

Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg an seine Gesandten in Münster und Osnabrück
Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg an seine Gesandten in Münster und Osnabrück - Kleve, 12.02.1648 - Postskript zu einem Reskript; eigenhändig unterzeichnete Ausfertigung - GStA PK, I. HA GR, Rep. 13, Nr. 18 Fasz. 5, fol. 70v © Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz / Christine Ziegler

Die konfessionellen Konflikte im Reich hatten den verheerenden Dreißigjährigen Krieg mit heraufbeschworen. Ohne ausgleichende Regelungen in den konfessionellen Fragen war das Gelingen eines Friedensschlusses demnach nicht möglich. 1645 entsandte Brandenburg zu den Westfälischen Friedensverhandlungen unter anderem Graf Johann von Sayn-Wittgenstein (1601–1657) nach Münster sowie Johann Friedrich von Löben (1595–1667) und Matthäus Wesenbeck (1600–1659) nach Osnabrück.

Neben der reichsrechtlichen Anerkennung der Protestanten als gleichberechtigt neben den Katholiken war einer der wesentlichen Streitpunkte in den Verhandlungen das ius reformandi – das Recht des Landesherrn, über die Religion seiner Untertanen zu entscheiden. Dieser Punkt war für Kurfürst Friedrich Wilhelm allerdings nur bedingt relevant, da in Kurbrandenburg das reformierte Herrscherhaus seit 1613 einer anderen Konfession angehörte, als die lutherische Bevölkerungsmehrheit, welcher die freie Religionsausübung jedoch verbrieft war (1). Was die Frage des Religionsfriedens im Reich betraf, so stand für ihn ein anderer Punkt im Vordergrund, nämlich die reichsrechtliche Gleichstellung der reformierten mit der lutherischen Konfession unter dem Dach des Augsburger Bekenntnisses. Zunächst wollte er diese Frage zwar selbst gar nicht aufgreifen – er hielt es für unzweifelhaft, dass die Reformierten ebenso wie die Lutheraner dem Augsburger Bekenntnis zuzurechnen seien – tat es auf Betreiben anderer reformierter Reichsstände aber schließlich doch. Besonders die reformierte Landgräfin Amalie Elisabeth von Hessen-Kassel (1602–1651) suchte bei ihm Unterstützung in dieser Frage, weil gerade die Reformierten in bestimmten Gebieten Hessen-Darmstadts, auf welche die Landgräfin Ansprüche erhob, durch Lutheraner bedrängt wurden (2). Auch sonst galt es gerade gegenüber lutherischen Fürsten, wie beispielsweise dem sächsischen Kurfürsten Johann Georg (reg. 1611–1656), die Rechte der Reformierten zu verteidigen (3).

Während Kurfürst Friedrich Wilhelm 1645 und 1646 noch längere Zeiten in Königsberg residiert hatte, hielt er sich von Oktober 1646 bis 1649 vorwiegend in seinen westlichen Landesteilen, und dort hauptsächlich in der Schwanenburg in Kleve auf. Diese lag einerseits näher an Den Haag, wo er im Dezember 1646 Luise Henriette von Oranien (1627–1667) heiratete; andererseits vermochte der Kurfürst aus Kleve schneller mit den Gesandten in Osnabrück und Münster über die Friedensverhandlungen zu kommunizieren (4). Eine Ansicht der klevischen Residenz, der Schwanenburg, ist im Hintergrund einer Allegorie auf die Durchsetzung der brandenburgischen Erbfolge in den Herzogtümern Kleve, Jülich und Berg abgebildet, mit der Erasmus Seidel (1594–1655) seine juristische Schrift zur Untermauerung eben jener Ansprüche im Kupfertitel illustrieren ließ.

Von hier aus setzte Kurfürst Friedrich Wilhelm schließlich in seinem Postskript vom 12. Februar 1648 seinen Gesandten in Osnabrück und Münster dezidiert auseinander, dass für ihn der Kern des konfessionellen Problems bei der Ausarbeitung der Friedensverträge in der Anwendung des Begriffs der „Augßburgische[n]-Confessions-Verwandte[n]“ bestand. Er erbat sich Bericht, da er „sich nicht recht erinnern [konnte], auff was weise dieser streit hiebevorn zwischen den Reformirten undt Lutherischen beygeleget, ob sie beyde unter dem nahmen Augßburgischer Confession begriffen sein sollen […], dann sollte daß nicht sein, so sehen sie ia selbst woll, waß die Catholische künfftig, denen so von der Reformirten Religion, vorwerffen, undt dardurch anlaß zu brechung alles dessen waß anitzo verglichen, nehmen würden“. Er stellte klar, dass ohne die Anerkennung der Reformierten als zugehörig zur Augsburgischen Konfession für ihn und andere reformierte Reichsstände kein Anlass bestand, weiter im Sinne des „gantzen Euangelischen wesen“ an einem Kompromiss zu arbeiten. Das Konzept zu diesem Schreiben stammt eigenhändig von dem Geheimen Rat Otto von Schwerin (1616–1679), was als Indiz für die persönliche Beteiligung des Kurfürsten an der inhaltlichen Gestaltung des Postskripts gilt (5).

Ohne eigentliche Klärung dieser Frage wurde salomonisch entschieden, dass die religionsausgleichenden Regelungen des Osnabrücker Friedensvertrages sowohl für Katholiken und Angehörige der Augsburgischen Konfession gelten sollten, als auch für diejenigen, „qui inter illos Reformati vocantur“ – womit die Reformierten in zweideutiger Weise entweder als dritte Konfession im Reich oder als Teil der ‚Augsburgischen Konfessionsverwandten‘ bezeichnet waren (6).

[Albrecht Christian] Kalle: Allegorie auf die Durchsetzung der brandenburgischen Erbfolge in Kleve, Jülich und Berg vor der Schwanenburg in Kleve - Kupfertitel in: Erasmus Seidel: Synopsis Et Brevis Assertio Juris Et Universalis Successionis, Serenissimo Principi ac Domino, Dn. Friderico, Berlin 1655 - Kupferstich - GStA PK, I. HA GR, Rep. 35, Nr. 360 © Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz / Christine Ziegler

(1) Franz Josef Burghardt: Brandenburg 1608-1688. Hofcalvinismus und Territorienkomplex, in: Reformed Majorities in Early Modern Europe, hg. von Herman J. Selderhuis und J. Marius J. Lange van Ravenswaay, Göttingen [u.a.] 2015 (Refo500 Academic Studies, 23), S. 111–138, hier S. 114, S. 121 und S. 123; Peter Baumgart: Kurbrandenburgs Kongreßdiplomatie und ihre Ergebnisse, in: Der Westfälische Friede. Diplomatie – politische Zäsur – kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte, hg. von Heinz Duchhardt, München 1998 (Historische Zeitschrift, Beiheft N.F.  26), S. 469–484, hier S. 475 f.;

(2) Martin Lackner: Die Kirchenpolitik des Großen Kurfürsten, Witten 1973 (Untersuchungen zur Kirchengeschichte, 8), S. 80 ff.;

(3) Gerhard Schmid: Konfessionspolitik und Staatsräson bei den Verhandlungen des Westfälischen Friedenskongresses über die Gravamina ecclesiastica, in: Archiv für Reformationsgeschichte, 44 (1953), S. 203–223, hier S. 213;

(4) Ernst Opgenoorth: Friedrich Wilhelm. Der Große Kurfürst von Brandenburg. Eine politische Biographie, Teil 1 von 1620–1660, Göttingen u.a. 1971, S. 160–162, S. 173

(5) Opgenoorth 1972 (wie Anm. 4), S. 189, Anm. 80

(6) IPO VII, 1 (Arno Buschmann: Kaiser und Reich. Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation vom Beginn des 12. Jahrhunderts bis zum Jahre 1806 in Dokumenten, Teil 2; Vom Westfälischen Frieden 1648 bis zum Ende des Reiches im Jahre 1806, 2. Aufl., Baden-Baden 1994, online: www.westfaelische-geschichte.de/que740, letzter Zugriff: 22.12.16).

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