Wo Kleists Briefe heute sind

Wo Kleist Briefe heute sind

Ein Überblick

von Anke Klare

Nur wenige Dokumente zu Kleists Leben sind überliefert – ein lückenloser Lebenslauf kann daraus nicht geschlossen werden. Selbstauskünfte enthalten nur die überkommenen Briefe. Tagebücher oder andere autobiografische Notizen sind nicht bekannt. Umso größere Bedeutung kommt den Briefen zu, die wichtige und zum Teil nur hier verzeichnete Informationen enthalten. Auch wenn diese in einigen Fällen in sich widersprüchlich sind oder offiziellen Dokumenten widersprechen, sind sie unerlässlich zur Erzählung seiner Biografie. Dabei gibt die Textsorte Brief den quellenkritischen Umgang vor.

Kleists unstetem Leben entsprechend haben sich kaum Briefe an ihn erhalten. Die wenigen materiell vorhandenen Schriftstücke sind fast ausnahmslos als Konzepte oder Abschriften von Schreiberhand überliefert. 235 Briefe von Heinrich von Kleist sind inhaltlich überliefert. Diese Schreiben bilden einen Zeitraum von mehr als 18 Jahren ab, der erste Brief vom März 1793 ist an die Tante Auguste Helene von Massow gerichtet, die letzten Schreiben datieren vom 21. November 1811 bzw. vom „Morgen meines Todes“.

In den Briefbänden der Brandenburger Kleist-Ausgabe ist das gesamte textlich bekannte Briefwerk Heinrich von Kleists ediert. 62 der 235 Briefe liegen nur noch im Wortlaut einer früheren Edition, als Abbildung in einer Publikation oder als zeitgenössische beziehungsweise später vorgenommene, zum Teil amtliche Abschriften von fremder Hand vor. Die Originale dieser Briefe wurden zerstört oder gelten als verschollen. 173 Kleist-Briefe sind als Autografen erhalten.

Das überlieferte Briefwerk ist überwiegend nach Berlin und Frankfurt an der Oder adressiert. Die Berliner Briefe sind mehrheitlich Geschäftskorrespondenz oder Schreiben an preußische Behörden, Ministerien, das Staatskanzleramt und den König. Die nach Frankfurt gesendeten Schreiben sind an die Familie – fast ausschließlich an die Schwester Ulrike von Kleist – oder an die Verlobte Wilhelmine von Zenge gerichtet. Die Schwester und die Verlobte waren auch die Hauptbriefempfängerinnen des heute bekannten Briefwerks: 58 Briefe an Ulrike von Kleist sind bekannt und 36 an Wilhelmine von Zenge. Die zwei Briefkonvolute wurden fast vollständig so überliefert, wie die Adressatinnen sie in der Familie weitergegeben haben. Zeitgenossen berichteten allerdings, dass beide Frauen einen Teil der an sie gerichteten Briefe vernichtet haben.

Beide privaten Brief-Sammlungen befanden sich vor dem Zweiten Weltkrieg als Eigentum beziehungsweise Depositum in der Preußischen Staatsbibliothek Berlin. Ab 1941 wurden deren Bestände ausgelagert, das Gros des Handschriftenbestandes kam so nach Schlesien. Nach 1945 verblieb ein Großteil der Autografensammlung in Polen. Aus diesem Grund befinden sich heute 55 Briefe an Ulrike von Kleist und 34 Schreiben an Wilhelmine von Zenge neben sieben weiteren Kleist-Briefen in der Biblioteka Jagiellońska in Kraków.

An Kleists Berliner Verleger Georg Andreas Reimer sind 19 überwiegend sehr kurze Briefe und Billets wörtlich überliefert, davon sind 13 Schreiben heute noch vorhanden und werden an neun verschiedenen Orten aufbewahrt. 14 mehrseitige Briefe an Marie von Kleist, eine angeheiratete Verwandte und langjährige Vertraute des Dichters, sind im Wortlaut bekannt, nur ein einziger ist erhalten geblieben und befindet sich heute in Schweden. Von allen weiteren Adressaten sind jeweils weniger als zehn Schreiben überliefert.

Die Aufbewahrungsorte weltweit:

31 Institutionen – 3 private Besitzer – 30 Orte – 9 Länder

Institutionen mit mehr als einem Kleist-Brief (=156 Briefe):

  • Biblioteka Jagiellońska, Kraków (Polen) 96 Briefe
  • Geheimes Staatsarchiv PK, Berlin 12 Briefe
  • Staatsbibliothek zu Berlin SPK, Berlin 12 Briefe
  • Deutsches Literaturarchiv, Marbach 10 Briefe
  • Kleist-Museum, Frankfurt (Oder) 6* Briefe
  • Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam 3 Briefe
  • Goethe- und Schiller-Archiv, Weimar 3 Briefe
  • Historical Society of Pennsylvania,
  • Philadelphia (USA) 3 Briefe
  • Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg 3 Briefe
  • Freies Deutsches Hochstift, Frankfurt am Main 2 Briefe
  • Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg 2 Briefe
  • Goethe-Museum Düsseldorf 2 Briefe
  • Wienbibliothek im Rathaus, Wien (Österreich) 2 Briefe

* Einer dieser Briefe ist seit 1996 ein Depositum der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin, ein weiterer eine Dauerleihgabe aus Privatbesitz.

Je ein Kleist-Brief liegt in weiteren Archiven oder Bibliotheken in (=18 Briefe):

  • Aarau (Schweiz)
  • Darmstadt
  • Dresden – hier in zwei Institutionen
  • Erlangen
  • Hannover
  • Heilbronn
  • Kristianstad (Schweden)
  • Leipzig
  • London (Großbritannien)
  • Modena (Italien)
  • München
  • Netstal (Schweiz)
  • Opava (Tschechien)
  • Oxford (Großbritannien)
  • Wien (Österreich)
  • Wolfsburg
  • Zürich (Schweiz)

In Privatbesitz befinden sich drei Kleist-Briefe (=3 Briefe):

  • Berlin
  • Kaiserslautern
  • Schweiz (nicht näher bezeichnet)

Vier Briefe wurden geteilt, die Briefabschnitte werden an jeweils zwei Orten verzeichnet.

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